aachen.t-online - Nachrichten für Aachen
Such Icon
aachen.t-online - Nachrichten für Aachen
Such IconE-Mail IconMenü Icon


Aachen

Aachen: Krankenpfleger Ulrich S. wegen zehnfachen Mordes verurteilt


Kritik am Krankenhaus bei Mordprozess
Pfleger Ulrich S. bekommt die Höchststrafe – keine Regung


Aktualisiert am 05.11.2025Lesedauer: 4 Min.
urn:newsml:dpa.com:20090101:251105-935-935212Vergrößern des Bildes
Ulrich S. mit Anwälten: Im Mordprozess wegen Medikamententötungen wurde am Mittwoch das Urteil gesprochen. (Quelle: Oliver Berg)
News folgen

Im Mordprozess gegen den Aachener Krankenpfleger Ulrich S. ist das Urteil gefallen. Er wird wegen Mordes an zehn Patienten und 24-fachen Mordversuchs verurteilt.

Es ist ein Urteil im Mammutprozess gegen Ulrich S. gefallen. Das Aachener Schwurgericht hat den ehemaligen Pfleger des Rhein-Maas-Klinikums in Würselen wegen zehn Morden und 24 Mordversuchen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Kammer stellte zudem eine besondere Schwere der Schuld fest. Richter Markus Vogt verhängte zusätzlich ein Berufsverbot, da im Fall von Ulrich S. Wiederholungsgefahr bestehe. Eine Sicherheitsverwahrung gibt es für den ehemaligen Pfleger derweil nicht.

Bei der Verkündung des Urteils zeigte Ulrich S., der in vorherigen Verhandlungen durch aufbrausende und laute Kommentare aufgefallen war, keine einzige Regung.

Der am Mittwoch verurteilte Mörder Ulrich S. hat laut Gutachten eine kombinierte narzisstisch-dissoziale Persönlichkeitsstörung. Das bedeutet, dass der Ex-Pfleger ein übertriebenes Selbstwertgefühl und ein starkes Bedürfnis nach Bewunderung hat, gleichzeitig aber auch durch mangelndes Einfühlungsvermögen und rücksichtsloses, regelwidriges Verhalten auffällt. Diese Persönlichkeitsstörung hätte, so Richter Markus Vogt, zwar keine Auswirkungen auf Ulrich S. Schuldfähigkeit gehabt, aber sehr wohl Hinweise auf seine Motivation gegeben.

Ulrich S.: Seine Persönlichkeitsstörung befeuert die Taten

So berichtete der Angeklagte während des gesamten Prozesses, er sei durchgehend verkannt und unterschätzt worden. Man hätte ihm das Bundesverdienstkreuz überreichen sollen, habe Ulrich S. im Laufe der Verhandlung behauptet. Seine ehemaligen Kollegen berichteten hingegen von extrem zynischen bis hin zu teils menschenverachtenden Aussagen. So habe er die Spritze mit dem Medikament, das in zehn Fällen erwiesenermaßen zum Tod führte, etwa als "Willkommensspritze" bezeichnet.

Auch, dass er andere Arbeitsweisen nur schwer ertragen konnte, sei seiner Persönlichkeitsstörung zuzurechnen, stellte Richter Markus Vogt fest. Wenn vor oder während der Schicht von Ulrich S. nicht alles sauber und ordentlich war, habe er zornig und ungehalten reagiert. Der Angeklagte habe ein bestimmtes Bild von der Arbeit und ihrer Ausführung gehabt. Auf Kollegen, die dieses Bild störten, habe er wiederholt empfindlich reagiert. Dies hänge auch damit zusammen, so Richter Markus Vogt, dass Ulrich S. sich selbst für kompetenter gehalten habe als andere Kollegen, als Ärzte und als Vorgesetzte.

Zu dem Bild, das Ulrich S. von guter und ordentlicher Arbeit hatte, gehörte auch, dass er während seiner Nachtschicht seine Patienten wusch. Ob er sie dafür in ihrer Nachtruhe unterbrechen musste, war dem ehemaligen Pfleger gleichgültig. Für ihn habe allein gezählt, dass sie sauber, ruhig und "gut symptomkontrolliert" gewesen seien, wie er selbst immer wieder am Ende seiner Nachtschicht dokumentierte.

Pfleger sediert Patienten bis zur Atemdepression

Um während der Ausübung seiner Arbeit vier bis sechs Stunden "seine Ruhe" zu haben, gab Ulrich S. den Patienten ein stark sedierendes Medikament. Laut eigenen Aussagen wollte der den Patienten damit ein friedliches Einschlafen ermöglichen und Schmerzen lindern. Vor Gericht behauptete Ulrich S. nicht gewusst zu haben, dass das Mittel Atemdepressionen und damit den Tod hervorrufen könne.

Die Kammer bewertete dies aber lediglich als Schutzbehauptung, da die Aussage im starken Kontrast zu Fortbildungen und der ansonsten zur Schau gestellten Kompetenz gestanden habe. Das Schwurgericht kam zu dem Schluss, dass Ulrich S. selbst unfähig war, das Leid der Patienten zu ertragen. Wenn Patienten ruhig starben, habe Ulrich S. das als einen "guten Job" betrachtet, urteilte Richter Markus am Mittwoch.

Bei der Sedierung zur Ruhigstellung habe Ulrich S. vollständig ignoriert, dass es unter den Patienten Menschen gegeben haben könnte, die noch etwas Zeit gebraucht hätten, um den Tod in einem klaren Zustand zu akzeptieren. Oder dass es Menschen gegeben haben könnte, die noch etwas Zeit mit ihren Angehörigen verbringen wollten. "Und das Wichtigste: dass nur die Betroffenen selbst entscheiden dürfen, welche Behandlung sie wollen", so Vogt.

Fehlende Kontrolle im Krankenhaus begünstigt Taten

Doch liege die Schuld laut Gericht auch nicht allein bei Ulrich S. Sowohl bei seiner eigenmächtigen Vergabe von Medikamenten als auch bei der eigenmächtigen Bestellung dieser in großen Mengen habe es nur selten Rückfragen, Korrekturen oder Konsequenzen gegeben – nicht einmal als auffiel, dass der Pfleger all dies ohne angemessene Dokumentation tat.

Auch alle im Krankenhaus tätigen Ärzte haben laut Richter Vogt vor Gericht abweichende Angaben über die Regelungen zur Vergabe des tödlichen Sedierungsmedikaments gemacht. Über die Freistellung von Ulrich S. hätten sich sogar einige Ärzte überrascht gezeigt, so Vogt. All dies zeige: "Es wurde ein Klima geschaffen, in dem der Angeklagte so handeln konnte, wie er handelte."

Dass niemand etwas zu seinem Verhalten sagte, niemand die fehlende Dokumentation beanstandete oder die Ungereimtheiten bemerkte, habe Ulrich S. mindestens als Duldung, wenn nicht sogar als Zustimmung betrachtet. Auch durch seine Kollegen habe er kein Korrektiv erfahren, auch nicht, wenn er zynische und menschenverachtende Bemerkungen machte.

Pflegemorde: Strukturen der Verdeckung

"Doch das hier ist kein Einzelfall", sagte Vogt. Zur Vorbereitung habe die Kammer das Buch "Tatort Krankenhaus" gelesen, in dem 38 Tötungsserien im Pflegebereich seit 1978 dokumentiert werden. "Und es war, als hätte der Autor Erkenntnisse aus diesem Verfahren verwendet." Die Lektüre zeige, dass es wiederholt ähnliche Strukturen seien, die Pflegemorde möglich machten.

Sei es das Wegsehen von Personen, Überforderung, zu wenig Kontrolle oder eine ineffiziente Fehlerkultur. Professor Karl H. Beine, Experte für solche Pflegemorde, habe auch im Fall von Ulrich S. gesagt, dass "Tatumstände und Täter wie Schlüssel und Schloss" seien. "Die Tür öffnet sich nur, wenn beides passt."

Deswegen richtete sich Richter Markus Vogt an die Öffentlichkeit und sagte, dass es gut sei, wenn sich die Aufmerksamkeit im Fall Ulrich S. nicht um die Dämonisierung des Täters drehen würde, sondern ein Scheinwerferlicht auf das System werfen würde, das diese Taten ermöglicht hat.

Verwendete Quellen
  • Eigene Artikel
  • Reporter vor Ort
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...




Telekom