Serie: OB-Kandidaten im Check "In Aachen den zweiten vor dem ersten Schritt gemacht"

Am 14. September findet in Aachen die Oberbürgermeisterwahl statt. t-online stellt die Kandidaten im Porträt vor. Dieses Mal: Michael Ziemons von der CDU.
Mit dem Konkurrenten um das Oberbürgermeisteramt eine ganze Nacht Brettspiele zocken? So vor Kurzem geschehen bei Michael Ziemons und SPD-Kandidat Michael Servos. "Wir sind beide riesige Brettspiel-Fans", sagt Ziemons. Besonders taktische Spiele haben es den beiden angetan. "Ich mag Würfelglück nicht so", erklärt Ziemons lachend. Gewonnen habe in der Nacht keiner von beiden. Nach dem stressigen Wahlkampf werde es auch "definitiv wieder einen Spielerabend geben", sagt er.
- Umfrage von t-online: Wer hat das Zeug zum neuen Aachener Oberbürgermeister?
Wenn Michael Ziemons von Brettspielen plaudert, spürt man seine Begeisterung. Ein Lieblingsspiel habe er zwar nicht – "Siedler von Catan" sei für ihn aber ein perfektes Brettspiel. "Als ich selbst noch Student war, habe ich auch mal die deutschen Meisterschaften dafür ausgerichtet", so Ziemons.
Ein weiteres großes Hobby von ihm ist das Lesen. Seit 1988 ist der 49-Jährige ehrenamtlich bei der Bücherinsel in Aachen-Brand tätig – dem Stadtteil, in dem er aufgewachsen ist. "Besonders gerne lese ich britisch-irische Krimis", sagt Ziemons "Da geht man schlauer raus aus dem Buch". Deutsche Autoren seien ihm oft zu belehrend.
Früher Pfadfinder, später Dekan – bald Oberbürgermeister?
Jahrelang, bis 2018, war Ziemons Dekan der Katholischen Hochschule für Erziehungswissenschaften in Köln. An dieser gründete er 2015 im Zuge der Flüchtlingskrise einen Studiengang für Geflüchtete. "Dabei kam bei mir zum ersten Mal der Gedanke: Will ich mein ganzes Leben lang nur das erforschen, was andere gemacht haben, oder will ich auch selbst mal Dinge umsetzen und gestalten?", erzählt Ziemons. Deswegen habe er sich auf die Stelle als Dezernent in Aachen beworben.
Dazu kommt, dass er als Kind schon politisch interessiert und für die Pfadfinder aktiv gewesen sei. Als die Konzerne Shell und Esso 1995 die Ölplattform Brent Spar in der Nordsee versenken wollten, hätten er und die Pfadfinder über das Thema informiert und Unterschriften gesammelt. Eine grüne Ader besitzt Ziemons also durchaus. "Auf jeden Fall, das hieß bei uns nur eben Bewahrung der Schöpfung", sagt er lachend. Gelandet ist er bei der CDU – die christlich-soziale Lehre habe ihn überzeugt.
Nun will Ziemons Oberbürgermeister werden. Seine Partei habe ihn vorgeschlagen, weil er in der Coronazeit als Gesundheitsreferent eine führende Rolle gespielt hat. Er habe dann lange mit seiner Frau und den beiden Kindern diskutiert. "Man muss sich ja darüber im Klaren sein, dass die Familie den höchsten Preis dafür bezahlt", sagt er. "Meine Tochter hat gesagt, dass sie mich wahnsinnig vermissen wird, aber ich das bestimmt toll machen werde und sie sehr stolz wäre." Er stehe nun voll hinter der Entscheidung: "Ich kann Dinge nicht halbherzig tun."
Ziemons will die Verwaltung digitalisieren
Was seine erste Amtshandlung als Oberbürgermeister wäre? "Die Verwaltung gemeinsam mit den Mitarbeitenden neu aufstellen", so Ziemons. Diese müsse "digitaler und damit bürgerfreundlicher sowie mitarbeiterfreundlicher" werden – gerade im Hinblick darauf, dass in den nächsten Jahren bis zu einem Drittel der Mitarbeiter in allen Fachbereichen in die Rente verabschiedet würden, erklärt er. "Einen Termin bei der Stadt zu kriegen ist mitunter vergleichbar damit, ein Ticket für ein Taylor-Swift-Konzert zu bekommen", ergänzt Ziemons lachend. "Das kann nicht unser Anspruch sein."
Beim Thema Verkehrspolitik findet Ziemons, dass es in Aachen ein "neues Miteinander" benötige. Den umstrittenen und in Aachen viel diskutierten Lenkungspunkt am Karlsgraben lehnt er beispielsweise ab, da er Autofahrer irritieren und Radfahrer gefährden würde. "Der ist ehrlich gesagt Quatsch und muss weg", so Ziemons.
Grundsätzlich sei er aber für Radvorrangrouten und Fahrradstraßen. Doch in den letzten Jahren habe man in Aachen den "zweiten vor dem ersten Schritt gemacht". "Es wurde erst gesperrt und jetzt stehen wir vor der Herausforderung, wie alle Menschen mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen gut in die Innenstadt kommen"", erklärt er.
Französische Städte als Vorbild für Aachener Verkehrspolitik?
Für Lösungen schaut er gerne auf sein liebstes Urlaubsziel Frankreich. "Da gibt es überall gute Park-&-Ride-Möglichkeiten, wo man sich hinstellen kann und ganz easy-peasy einen Bus hat, der einen in kurzen Abständen auf direktem Weg mitten in die Stadt bringt", erklärt Ziemons. Das Park-&-Ride-System in Aachen bezeichnet er hingegen als "katastrophal". Er sagt: "Wenn wir es schaffen, von den täglich 90.000 Pendlern in Aachen einen relevanten Prozentsatz auf Park& Ride zu bringen, können wir wahnsinnig viel erreichen."
Mit einer besseren Anbindung könne man auch mehr Touristen in die zunehmend leer stehende Innenstadt locken, sagt Ziemons. Und den Leerstand könne man in Wohnflächen umwandeln. Zum Neubau von neuen, bezahlbaren Wohnungen sei die kürzlich gegründete Wohnungsbaugesellschaft der Stadt in Zukunft aber nicht geeignet. Man müsse vielmehr die bestehende städtische Wohnungsbaugesellschaft, die Gewoge, effizienter einsetzen, damit mehr gebaut werde, so Ziemons.
Ziemons ist Lokalpatriot und Alemannia-Fan
Wie er sich in Aachen in Zukunft vorstellt? "Dass die alte lebenswerte Stadt, die ich kenne und mag, wieder ein anziehungskräftiges Oberzentrum für die ganze Region ist", sagt Ziemons. "Dass man dort einfach gerne hinfährt zum Shoppen, zum Kulturgenießen, zum Essen, zum Arbeiten." Dazu gehöre für ihn auch eine klimafreundliche Innenstadt – etwa "mit diesen fliegenden Gärten wie in Österreich", das sind begrünte Netze über Fußgängerzonen, erklärt er.
Ziemons bezeichnet sich selbst als Lokalpatriot. Da darf eine Dauerkarte bei der Alemannia nicht fehlen. Mit seinem elfjährigen Sohn gehe er zu fast jedem Heimspiel zum Tivoli. "Das ist die Vater-Sohn-Zeit, die uns beiden wichtig ist", sagt er. Für die Alemannia wünscht er sich den Klassenerhalt in der 3. Liga.
Am Fußball schätze er insbesondere, dass sich dort "ganz unterschiedliche Bevölkerungsschichten begegnen", sagt Ziemons. Aus demselben Grund sei er ein großer Karnevalsfan. Er findet überhaupt, dass Aachen viel zu bieten habe, die "Öcher" sich aber oft zu kleinreden würden. "Tivoli, Karneval, CHIO, Karlspreis, RWTH und FH, Ladies in Black – andere Städte würden sich die Finger danach lecken", erklärt er lachend.
"Nicht anfangen, rechte Parolen nachzuplappern"
Er liebe an Aachen auch das internationale Flair. "Man geht hier durch die Innenstadt und hört permanent Niederländisch, Französisch, Englisch – ganz selbstverständlich", sagt Ziemons. Deshalb ist ihm die AfD ein Dorn im Auge.
Als CDU-Bundeskanzler Friedrich Merz im Januar mit der AfD abstimmte, kritisierte Ziemons die Entscheidung öffentlich. Er will kommunal diejenigen Wähler, die er noch erreichen kann, von der CDU überzeugen – ohne "weich gewaschenes Politik-Sprech", sagt er. "Der Weg muss sein, zuzuhören und die Leute ernst zu nehmen", so Ziemons. "Und nicht anfangen, rechte Parolen nachzuplappern und das Original zu kopieren."
- Gespräch mit Michael Ziemons